Der Zeit hinterherhinken…aber nur ein bisschen!

Ich finde es immer wieder interessant, wie unterschiedlich die Länder dieser Erde so sind – insbesondere die Länder, welche zur „westlichen Welt“ bzw. zu den Industrieländern zählen und daher alle einen ähnliche Wirtschafts- und Konsumstruktur aufweisen, jedoch keinesfalls die gleiche Kultur. Neuseeland kann selbstverständlich mit allen Errungenschaften des modernen Lebens aufwarten, aber wenn man als Deutscher hier lebt, fallen einem doch ziemlich schnell vielerlei Dinge auf, die man in Europa als merkwürdig oder gar veraltert ansehen würde.

Als Erstes sei gesagt: Neuseeland ist eines der Autofahrerländer schlechthin. Die Infrastruktur ist dermaßen autofreundlich, dass der ADAC zumindest einen Teil seiner feuchten Träume hier als erfüllt ansieht! Hier in Auckland gibt es mehr Parkhäuser als Supermärkte, und das ist nicht gelogen. Während Autobesitzer in Berlin jeden Tag auf’s Neue murren, wird hier wahrscheinlich ausgewürfelt, wo man denn heute parkt. Zum ÖPNV habe ich im ersten Beitrag schon etwas geschrieben, und mittlerweile ist mir der Grund für die Katastrophe klar: Wozu anständige Buslinien planen, wenn man doch einen schönen Eigenwagen hat? Mein Firmenchef fährt ca. 1 km (!) zur Arbeit, das ist für ihn und seine Frau gar keine Frage. In der Firma eines anderen Landsmannes, den ich hier kennengelernt habe, wurde neulich von den Angestellten das erste Mal eine Fahrgemeinschaft gebildet, wofür man sich direkt erstmal im Büro auf die Schulter geklopft hat; das sei ja so modern! Das ringt mir und wahrscheinlich nahezu allen anderen Europäern natürlich ein Lächeln ab. Ampeln sind auch eine interessante Geschichte. Ich weiß nicht, ob das nur in Auckland so ist, aber hier gibt es ausschließlich Ampeln mit Knöpfen für die Fußgänger. Man muss meistens auch arg lange warten, bis dann endlich mal für Fußgänger grün wird – und das Verrückteste ist, dass Fußgänger- und Fahrzeugampeln nicht aufeinander abgestimmt sind, d. h. in der Innenstadt kommt es häufiger vor, dass alle 4 Fußgänger- oder aber Fahrzeugampeln einer Kreuzung grün zeigen. Es gibt sogar extra Streifen auf einigen Kreuzungen, die schräg verlaufen und somit anzeigen, dass man quer über die Kreuzung laufen kann.

Mülltrennung ist ein Thema, welches in Deutschland zwar weit entwickelt, aber von einem Großteil der Bevölkerung bisher ignoriert wird. All jene, die finden, dass das den Aufwand nicht wert ist, würden hier ihre helle Freude haben! Es gibt nämlich nur 3 Mülltonnentypen – Restmüll, Recycling und Papier/Pappe/Karton. Allerdings wird vielerorts alles in eine Mülltonne geschmissen. In dem Zusammenhang kann man gleich mit erwähnen, dass es kein Pfandsystem gibt (genauso wenig wie in Australien, mit Ausnahme eines Bundesstaates). Es war schon eine witzige Situation, als ich eine Kollegin fragte, ob ich denn die Colaflasche irgendwo zurückgeben müsse und sie nur ein komisches Gesicht machte von wegen „Es gibt Länder, in denen man Flaschen zurückgeben muss?!“. Interessanterweise sieht man trotz dieses Faktes kaum leere Flaschen in Auckland herumstehen, auch wenn die Stadt ansich ziemlich dreckig ist (weit mehr als Berlin). Vielleicht laufen irgendwelche Flaschensammelteams nachts herum, ich weiß es nicht…

Im krassen Kontrast dazu steht die Begeisterung der Neuseeländer für die Technik des 21. Jahrhunderts. Mehr noch als in Deutschland erfreuen sich hier Smartphones einer gigantischen Beliebtheit; ich meine, klar, in Deutschland sieht man sie logischerweise auch überall, aber hier kommt mir das Ganze noch einen Zacken penetranter vor. Insbesondere die Firma mit dem Apfellogo macht hundertprozentig höhere Umsätze als in Mitteleuropa, Modelle von Samsung oder sonstige Smartphones sieht man kaum. Was mich zunächst erstaunte, war auch der Bekanntheits- und Nutzungsgrad von Heimautomatisierung. Für alle, die es noch nicht wissen: Ich arbeite bei einer Firma, die Automatisierungskonzepte für Firmengebäude/-räume und Eigenheime erstellt, dann die Elektronik dafür einkauft und fachmännisch verbaut. Sie hat bereits einen gewissen Ruf in Auckland und anderen bestimmten Teilen Neuseelands. Und unsere Firma ist nicht die Einzige, die diesem Geschäft nachgeht – für einen nicht geringen Teil von Neuseeländern ist es nicht ungewöhnlich, sich ein Heimkino, Temperatur- und Multimediakontrolle sowie versteckte Bildschirme und Lautsprecher in ihr Haus verbauen zu lassen. Ich bin mir nicht sicher, aber wenn ich mich an eine Dokumentation im Fernsehen erinnere, die vor ca. 4-5 Jahren gesehen habe, wurde das in Deutschland immer als Luxus-Zukunftsvision angepriesen, die sich nur Millionäre leisten können und die keineswegs eine große Verbreitung hat.

Wir Deutschen pflegen natürlich im Beruf sehr häufig eine höfliche und ggf. vorsichtige Annäherung an Mitarbeiter fremder Unternehmen und Kunden, und grundsätzlich würde niemand auf die Idee kommen, irgendjemanden einfach zu duzen. Ja, richtig, im Englischen lässt sich das wohl nicht vermeiden, da es keine Höflichkeitsform gibt, aber ich will auf etwas anderes hinaus: Es ist gang und gäbe hier, sich mit Vornamen anzusprechen, selbst wenn man einander nicht kennt! Bei sehr vielen Gesprächen wird auch schnell ein lockerer Plauderton angestoßen, des Öfteren sogar mit Kunden, was bei uns in so manchem Beruf undenkbar wäre. So wurde ich bei einigen Gesprächen mit Mitarbeitern von Zulieferern schon nach wenigen Sätzen mit „mate“ angesprochen. Am Besten war jedoch die zuständige Dame von einem unserer Kunden, die unser Telefongespräch mit „Hi dear, I’m [Name] from […]“ begann – obwohl wir zuvor noch nie miteinander gesprochen hatten. Dieser Plauderton zieht sich auch durch das öffentliche Leben, wobei das manchmal für einen Europäer seltsame Blüten treiben kann, wenn ein Plakat der Verkehrsbetriebe die Aufschrift „If you drink and drive, you’re a bloody criminal!“ trägt.

Zum Abschluss noch etwas Neuseeland-Englisch: Eines der am häufigsten benutzten Wörter hier dürfte „Cheers“ sein. Im Gegensatz zum amerikanischen Englisch bedeutet das hier nicht „Prost“, sondern meistens „Danke“ – verbunden mit dem obengenannten „mate“ darf man sich als junger Erwachsener mehrere Male täglich, unabhängig vom Ort, die Floskel „Cheers mate“ anhören; manchmal auch, wenn eigentlich gar kein „Danke“ angebracht ist. Aber so sind die Kiwis nun mal!

Der nächste Eintrag wird voraussichtlich am Wochenende folgen.

One thought on “Der Zeit hinterherhinken…aber nur ein bisschen!

  1. Trinker

    Oh man das klingt ja wie das Paradies, wenn man sich um die artgerechte Entsorgung von Flaschen und vor allem Dosen(!) keine Sorgen zu machen braucht.
    Ansonsten kann ich dir nur empfehlen den netten Ton dort zu genießen, denn die berliner “Freundlichkeit” kannst du ja die meißte Zeit genießen.
    Ich erwarte ungeduldig den nächsten Beitrag!

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